Grundbegriffe

Für das Verständnis dieser Internetseiten ist es sinnvoll, sich mit einigen Grundbegriffen der medizinischen Fachsprache vertraut zu machen. Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, dieses Kapitel schnell durchzulesen und zu überfliegen, denn hier lernen Sie einige grundsätzliche Fachbegriffe kennen. Die Erläuterungen helfen Ihnen nicht nur, die auf dieser Internetseite beschriebenen Zusammenhänge zu verstehen, sondern lassen Sie auch aus dem Beratungsgespräch mit einem Facharzt den höchsten Nutzen ziehen. Sobald Sie die Bedeutung einiger Begriffe kennen, können Sie Inhalte aus dem Gebiet „Sterilisation und Refertilisierung“ besser verstehen und einordnen. Das macht Sie dann fast schon zum Experten auf diesem Gebiet und verbessert Ihre Handlungskompetenz.

Als Erstes ist es sinnvoll, sich kurz den Bauplan (die Anatomie) des Mannes und seiner Genitalorgane zu verdeutlichen.

Für den Eintritt einer Schwangerschaft sind Samenzellen (Spermien) unverzichtbar. Die Spermien enthalten das Erbmaterial (die Chromosomen) des Mannes, genauer gesagt einen halben Chromosomensatz. Die Chromosomen der Samenzelle entscheiden über das spätere Geschlecht des Kindes. Ohne den halben Chromosomensatz einer Samenzelle ist keine Empfängnis möglich, oder anders gesagt, eine weibliche Eizelle lässt sich nur durch ein Spermium befruchten. Viele Wissenschaftler arbeiten zwar daran, Nachkommenschaft ohne Spermien zu erzeugen (dieses Verfahren nennt man Klonen). Anders als in der Tierheilkunde ist das Klonen beim Menschen bislang jedoch nicht gelungen. Solche Versuche an Menschen sind aber, zumindest in Deutschland, auch aus ethischen Gründen verboten.

Die Spermien werden in den Hoden (Testis) gebildet. Anders als bei der Frau, die monatlich nur eine Eizelle zur Ausreifung bringt und deren Eizellen schon als Baby in den Eierstöcken angelegt sind, werden die Samenzellen des Mannes in den Hoden ständig neu nachgebildet. Bei jedem Samenerguss machen sich viele Millionen Spermien auf die Suche nach einer Eizelle. Jede einzelne Samenzelle reift im Hoden mehrere Wochen heran. Bei den vielen Millionen Spermien, die jeden Tag gebildet werden, ist es nicht verwunderlich, dass nicht alle Samenzellen voll befruchtungsfähig werden. So ist es auch bei einem voll fruchtbaren, fertilen Mann völlig normal, wenn nur jede fünfte Samenzelle regelrecht gebaut und fortbewegungsfähig ist.

Der Hoden (Testis) erfüllt eine zweite, sehr wichtige Aufgabe, nämlich die Produktion des männlichen Geschlechtshormones Testosteron.
Der Hoden hat also zwei Funktionen:

- Bildung von Spermien, die beim Samenerguss (Ejakulation) erscheinen
- Produktion von Testosteron, welches ins Blut des Mannes abgegeben wird

Anders als bei der Frau, deren Eierstöcke sich im Inneren ihres Körpers befinden, benötigen die Hoden für eine korrekte Funktion einen etwas kühleren Ort: Die Hoden haben eine „Betriebstemperatur“ von 34 bis 35 °C und sind deshalb außerhalb der Leibeshöhle im Hodensack (Scrotum) untergebracht. Der Körper reguliert automatisch die Temperatur im Hodensack. Alle Männer wissen, dass sich der Hodensack bei Kälte stark zusammenzieht, die Hoden also näher an die 37 °C warme Leibeshöhle gebracht werden. Bei Wärme hingegen entspannt sich die Haut und die Muskulatur des Hodensackes, so dass die Hoden sich weiter von der warmen Leibeshöhle entfernen. Dies ist besonders deutlich erkennbar, wenn der Mann Fieber hat.

Das Hodengewebe selbst ist ein Gewirr von kleinen Kanälchen, in deren Wandungen die Samenzellen produziert werden. Durch die Kanälchen wandern die Samenzellen zur Hodenbasis (Rete testis) und werden dort in den Nebenhoden eingeschleust (Epididymis). Der Nebenhoden ist sehr viel kleiner als der Hoden und als fleischiger Strang am Hoden zu tasten. Im Nebenhoden laufen viele Kanälchen zu einem Nebenhodenkanal (Tubulus) zusammen, der stark aufgeschlängelt den eigentlichen Nebenhoden bildet. Der Nebenhodentubulus ist sehr zart und verletzlich; könnte man ihn auseinanderziehen, hätte der Nebenhodentubulus eine Länge von 4 bis 5 Metern.

Der Nebenhodentubulus hat zwei Funktionen: Zum einen werden hier Samenzellen gespeichert, zum anderen erlangen die Samenzellen während der Speicherphase im Nebenhoden ihre vollständige Beweglichkeit. Anders als der eher robuste Hoden ist der Nebenhoden relativ verletzlich. Viel häufiger als im Hoden kommt es daher im Nebenhoden zu Störungen und Entzündungen (Epididymitis). Folge kann sein, dass die Samenzellen nicht mehr vollständig ausreifen und keine volle Beweglichkeit erlangen. Bei starken Entzündungen oder Verletzungen kann der Nebenhodengang (Tubulus) sich durch Narbenbildung auch vollständig verschließen.

Der Nebenhodengang (Tubulus) mündet in den Samenleiter (Vas deferens oder Ductus deferens). Nahe am Nebenhoden ist der Samenleiter zunächst noch zart und verläuft stark gewunden, nach ein bis zwei Zentimetern jedoch verläuft der Samenleiter gerade und ist dann deutlich fester und kräftiger.

Der Samenleiter (Vas) verläuft vom Hoden in Richtung Körperhöhle, gemeinsam mit den Blutgefäßen des Hodens. Dieser Strang ist von einer dünnen Hülle umschlossen, der Samenstranghülle. In der Samenstranghülle verlaufen auch Muskelfasern, die sogenannten Kremastermuskeln. Die Kremastermuskeln können durch Verkürzen oder Verlängern die Lage des Hodens im Hodensack verändern und regulieren so unter anderem die Temperatur im Hoden mit.

Der Samenstrang (Funiculus) ist etwa so dick wie der kleine Finger des Mannes. In diesem „Kabelstrang“ lässt sich der Samenleiter gut tasten: Während die Muskelanteile, die Samenstranghüllen und die Gefäße eher weich sind, fühlt sich der Samenleiter deutlich fester an. Der Samenleiter hat einen Durchmesser von ein bis zwei Millimetern. Dies entspricht in etwa der Stärke einer Kugelschreibermine oder der Kupferader eines kräftigen dreiadrigen Elektrokabels.

Der Samenstrang, das heißt die Hodenblutgefäße und der Samenleiter umhüllt von den Samenstranghüllen, verläuft vom Hoden aufwärts in die Leistenregion. Durch die Muskelschichten des Bauches und der Leisten verläuft der Samenstrang leicht diagonal hindurch. Diesen Kanal nennt man Leistenkanal. Die innere Abdichtung des Leistenkanales zur Eingeweidehöhle des Bauches heißt Innerer Leistenring.

Sicher ist Ihnen der Leistenbruch bekannt. Doch was „bricht“ hier eigentlich? Leistenbruch (Hernia inguinalis) bedeutet, dass die Abdichtung des Eingeweideraumes des Bauches zum Leistenkanal hin beschädigt ist.

 

Beim Leistenbruch bricht also kein Knochen, sondern die innere Abdichtung des Leistenkanales. Ist diese Abdichtung nicht mehr vollständig, so kann z. B. Darm in den Leistenkanal, sogar bis in den Hodensack rutschen. Dieses kann gefährlich sein, wenn dabei der Darm, der ja Kot vorwärts transportiert, abgeklemmt wird. Ein sogenannter akuter eingeklemmter Leistenbruch ist ein sehr gefährlicher, manchmal lebensbedrohlicher Notfall und wird mit einer sofortigen Notoperation behandelt. Natürlich führt nicht jeder Leistenbruch zu einer Einklemmung, aber es ist sinnvoll, einen Leistenbruch zu beseitigen, damit es nicht zu einer Einklemmung kommen kann.

Am inneren Leistenring, also in der Eingeweidehöhle, trennen sich der Verlauf des Samenleiters (Vas) und der Blutgefäße des Hodens. Der Samenleiter verläuft tief nach unten ins Becken und mündet zusammen mit den dort befindlichen Samenbläschen in die Prostata.

Die Prostata ist normalerweise so groß wie eine Walnuss und befindet sich am Ausgang der Blase beziehungsweise am Anfang der Harnröhre. Von außen betrachtet findet sich die Prostata in der Dammregion (unter der Haut zwischen Hodensack und After, beim Radfahren zum Beispiel stützt der vordere Teil des Sattels die Dammregion).

Aufgabe der Prostata und der Samenbläschen ist es, den allergrößten Teil der Samenflüssigkeit zu bilden. Beim Samenerguß (Ejakulation) erscheinen meist mehrere Milliliter Ejakulat, aber nur eine geringe Menge davon sind die Samenzellen selbst. Der größte Teil ist die Samenbläschen- und Prostataflüssigkeit, in der die Samenzellen schwimmen und aus der sie sich für einige Zeit ernähren. Wird der Samenleiter verschlossen, zum Beispiel bei einer Sterilisation, so verringert sich die Menge des Ejakulates kaum.

Die Samenzellen nehmen nach ihrer Entstehung im Hoden also einen langen Weg: durch die Basis des Hodens (Rete testis) in den Nebenhoden und dort in den Nebenhodenkanal (Tubulus). Dieser ist einige Meter lang. Auch der Samenleiter selbst ist relativ lang, vom Nebenhoden bis zum inneren Leistenring sind es circa 15 cm, dann noch einmal 10 bis 15 cm vom inneren Leistenring bis zur Mündung des Samenleiters in der Prostataregion.

Für Operationen am Samenleiter (Sterilisation, Refertilisierungsoperation) ist der Samenleiter im Verlauf vom Nebenhoden bis zum inneren Leistenring für den Operateur relativ gut erreichbar, am einfachsten in seinem gut tastbaren Verlauf im Samenstrang, knapp oberhalb des Hodens.

Zum Abschluss dieses interessanten Kapitels über die anatomischen Strukturen im Genitaltrakt des Mannes lassen Sie mich noch die Bedeutung von drei wichtigen Grundbegriffen erläutern.

1. Schneiden / Herausschneiden: Wenn ein Operateur oder Chirurg etwas durchschneidet, so wird in der medizinischen Fachsprache hierfür der Wort -tomie verwendet (vom griech. tom). Wird etwas herausgeschnitten, so verwendet man das Wortteil -ektomie (vom griech. ek = aus, heraus und tom = Schnitt, siehe oben).
Das Durchtrennen des Samenleiters beziehungsweise Herausschneiden eines kleinen Teiles des Samenleiters (Vas) mit dem Ziel der Sterilisation, nennt man also Vas-ektomie. Damit lassen sich viele chirurgische Fachbegriffe verstehen. Die Entfernung des Blinddarmes (Appendix) heißt Append-ektomie, die Entfernung der Milz (Splen) heißt Splen-ektomie und so weiter.

2. Wenn ein Operateur oder Chirurg eine Einmündung oder eine Öffnung herstellt, so wird dies durch das Wortteil -stomie angezeigt. Wenn also nach einer Sterilisation (Vasektomie) die Samenleiterenden (Vas- und Vas) wieder miteinander verbunden werden, so heißt dies Vasovasostomie. Wird eine Verbindung zwischen dem Nebenhodenkanal (Tubulus) und dem Samenleiter (Vas) hergestellt, spricht man von einer Tubulovasostomie. Auch die Wortendungen -stomie und -stoma finden in der Medizin breite Anwendung. So heißt ein künstlicher Darmausgang mit Dünndarm (Ileum) Ileostoma, mit Dickdarm (Colon) lautet die Bezeichnung Colostoma.

Damit kennen Sie zwei wichtige Begriffe der Refertilisierungsoperationen:

Vasovasostomie, kurz VVS und
Tubulovasostomie, kurz TVS.

3. Eine Entzündung wird gekennzeichnet durch den Wortteil -itis. Ist zum Beispiel die Prostata entzündet, nennt man dieses Prostatitis. Ist der Nebenhoden (Epididymis) entzündet, so heißt dies Epididymitis. Die Entzündung des Blinddarmes (Appendix) heißt Appendizitis. Von der Gastritis – einer Entzündung des Magens (Gaster) – haben Sie vielleicht schon einmal gehört.

Nach dieser Einführung in die medizinischen Fachbegriffe sehen Sie, dass es gar nicht so schwierig ist, die Medizinersprache zu verstehen. Leider hat es sich historisch so entwickelt, dass in der medizinischen Fachsprache hauptsächlich lateinische und griechische Wörter verwendet werden. Das macht es dem Laien manchmal schwierig, Arztbriefe zu lesen oder Artikel zu verstehen. Sehr vorteilhaft daran ist jedoch, dass diese lateinischen und griechischen Wörter im gesamten Gebiet der westlichen Medizin verbreitet sind und verwendet werden.

Für fast alle medizinischen Fachbegriffe gibt es jedoch auch gut verständliche deutsche Worte. Wenn Sie also trotz dieser Einführung in die Ärztesprache Probleme haben, Teile dieses Buches, eines Arztbriefes oder eines Beratungsgespräches bei Ihrem Arzt zu verstehen, so sollten Sie auf jeden Fall nachfragen.